Meine kleine Marbella-Geschichte
- the story about little bastard -

Von Fabian Kröger

Eigentlich bin ich ein Autohasser. Als Radfahrer trug ich früher immer einen Gummihammer bei mir, um unverschämten Rechtsabbiegern einen Denkzettel zu verpassen. Andererseits habe ich als Kind nur Autos gezeichnet, nur von Autos gesprochen und nur an Autos gedacht. Und so kam es, dass ich sechs Jahre nach meinem 18. Geburtstag dann doch noch den Führerschein machte. Um "Fahrpraxis" zu bekommen, lieh ich mir ab und zu von Freunden einen Wagen. Darunter war auch ein alter weißer Seat Marbella. Das Abenteuer begann an einem klirrend kalten Januartag! Zunächst galt es, den Choke zu ziehen, um den Motor im Winter überhaupt starten zu können. Mit angestrengt hochgedrehtem Motor heizte ich durch die Stadt um meinen Bruder abzuholen. Ständig beschlugen die Scheiben. Die Heizung heizte nach einer Weile wie wild. Wir fuhren in unbelebten Gegenden Rallye und fühlten uns dabei wie in einem Gocart, das in den Kurven sein Bein hebt. Kurz und gut: Wir hatten einen Riesenspaß!

Einige Zeit später wollte mein Bekannter den Wagen loswerden, weil er damit nicht mal ohne Panne zur Ostsee kam. Da ich beim Probefahren so begeistert gewesen war, kam er auf mich und bot mir den Seat für einen Euro an (Neupreis 1991: 10.890 DM). Nach kurzem Hin- und Hergerissensein entschied ich mich, das Angebot anzunehmen. Seit dem 27. Mai 2002 fahre ich also einen Seat Marbella Special von 1991 mit 29 kw (40 PS). Da der Wagen bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich dem Zweck diente, von A nach B zu kommen, wuchs Moos an den Rücklichtern und auf dem Dach hatten sich Wurzelansätze gebildet. Der Tachostand betrug 83.734 Kilometer, wobei niemand wusste, ob es vielleicht 183.734 Kilometer sein könnten, da der Tacho nur fünf Ziffern hat. In den ersten Tagen genoß ich die entsetzten Blicke der Fußgänger: Ich wusste noch nicht, dass man den Choke kurz nach dem Start wieder einschieben sollte, und fuhr immer mit voller Drehzahl.





Kühlwasser kocht, Tür springt auf
Das erste Problem bestand darin, dass das Kühlwasser immer sehr schnell kochte. Kaum war man losgefahren und stand an der nächsten Ampel, da dampfte es schon links vorne über der Motorhaube. Mit etwas weniger brutal bzw. überhaupt nicht gezogenem Choke und regelmäßiger Kontrolle des Kühlwasserstandes erledigte sich diese Beunruhigung dann.
Als nächstes sprang bei voller Fahrt die Fahrertür auf, als ich über Kopfsteinpflaster fuhr. Der Schreck fuhr mir in alle Glieder! Weiterfahrend reckte ich mich nach links aus dem Wagen, um den Griff zu angeln und die Tür wieder zuzuziehen. Es stellte sich heraus, dass eine minikleine Feder im Schloss fehlte, sie hatte sich durch ein ebenso kleines Regenwasserabtropfloch in der Türunterkante selbstständig gemacht. Diese Feder gab es natürlich nicht einzeln zu kaufen. Ich musste ein neues Schloss besorgen, dort die Feder abmontieren und beim alten Schloss vorsichtig einhaken. Seitdem schliesst die Tür wieder hervorragend. Das Schlupfloch unter der Tür habe ich zugeklebt.

Fenster eingeschlagen, Radio weg
Da jetzt alles gut funktionierte, beschloss ich, ein Radio einzubauen. Es sollte gleich was Tolles mit CD sein. Nur: Wo sollte das eingebaut werden? Es gibt im Marbella nur eine Rinne, in der sich Kugelschreiber, Kassenzettel und einzelne Fishermans Friend-Pastillen ansammeln. Mein Bruder Malte sägte also aus Laubholz eine Radiohalterung, die perfekt in die Rinne geklemmt werden konnte. Dort kam das Radio hinein. Leider sprang der CD-Player bei jeder Unebenheit. Wirklich tragisch war jedoch, dass ich eines Abends vergaß, das Bedienelement vom Radio abzunehmen. Als ich am nächsten Morgen zum Auto kam, lagen die berühmten Kristallsplitter neben dem völlig zerstörten Beifahrerfenster. Radio und Laubsägearbeit waren weg. Und nun? Erstmal verzichtete ich auf ein Radio und klebte das Fenster mit einer Tüte zu, durch die es reinregnete. Ein einzelnes Fenster gab es nirgends auf dem Gebrauchtmarkt. Also musste ich die komplette Tür austauschen. Seitdem habe ich nicht nur einen Schlüssel für Fahrertür und Heckklappe, einen Schlüssel für das Tankschloss und einen Schlüssel für das Zündschloss, sondern auch einen Schlüssel für die Beifahrertür.





Motor brennt
All diese kleinen Überraschungen hinderten mich nicht daran, mit einer Freundin spontan einen Ausflug ins polnische Szechin zu machen. Auf der leergefegten Autobahnstrecke vor dem Grenzübergang fuhr der Marbella sogar 160 km/h Spitze! Wir waren überrascht, konnten uns dies allerdings erst später mitteilen, da jede Unterhaltung sich ab Tempo 130 auf gebrüllte Schlagworte reduzierte.
Kurz nach dieser schönen Reise gondelte ich an einem heißen Julitag 2002 nichtsahnend mit dem Wagen durch Berlin-Kreuzberg. Bereits seit längererem hatte ich einen leichten Benzingeruch im Innenraum festgestellt, mir das aber mit mangelnder Isolation von Motorraum und Fahrgastzelle erklärt. Dieser Tag würde mich eines Besseren belehren: Ich war gerade dabei, einzuparken, als plötzlich direkt vor meinen Augen Flammen aus der Motorhaube schlugen! Als erstes stellte ich den Motor ab und stieg aus. In unmittelbarer Nähe befand sich ein türkisches Café, von dem aus etwa 15 Männer das Feuer sahen. Sofort kamen einige herbeigerannt und einer rief, ich solle schnell die Motorhaube öffnen. Als ich die Haube entriegelt hatte, rief ein anderer: "Nein, dann bekommt das Feuer Luft!" Doch da kam schon aus dem Café ein weiterer Mann mit einem Eimer Wasser herbeigerannt. Mit einem Schwung war das Feuer aus. Lachend bot mir einer der Umherstehenden seinen nagelneuen 7er BMW an, der einige Meter weiter stand. Im Nachhinein war ich froh, dass das Feuer nicht irgendwo weit weg auf der Polen-Reise ausgebrochen war. Das war natürlich alles sehr schockierend. Es war unklar, ob der Schaden repariert werden konnte. Einen Monat später schleppte mein Bruder den Marbella ab - zur Werkstatt. Ein Mann brüllte aus einem vorbeifahrenden Lieferwagen: "Auf den Müll damit!" Nachdem die Werkstatt von 600 Euro Reparaturkosten sprach, war ich auch dieser Meinung und ließ den Marbella zur Autoverwertung bringen. Dort sollte ich 100 Euro für die Abgabe bezahlen, woraufhin ich wieder nach Hause fuhr und den Wagen erstmal vor dem Schrottplatz geparkt stehen liess.

Über den Bekannten, der mir den Marbella verkauft hatte, fand ich schließlich eine Werkstatt, die alle verbrannten Teile für einen akzeptablen Preis austauschte.

...Fortsetzung folgt...